„Das Wichtigste ist die innere Triebfeder“. Weltweit sind gut sechzehntausend Unternehmen aus der Futtermittelkette nach GMP+ Feed Safety Assurance (FSA) zertifiziert - ein Rekord. Dennoch sagt ein Zertifikat nicht alles. Die Unternehmenskultur ist mindestens ebenso wichtig. Ein Gespräch mit zwei Experten aus dem Sektor über die Bedeutung einer feed safety culture. „Man erzeugt damit viel Goodwill im Markt.“
Johan den Hartog, Geschäftsführer bei GMP+ International, und Reinder Sijtsma, Quality Director bei Nutreco, begegnen dieser Haltung noch regelmäßig bei den Unternehmen, die sie besuchen. Eine Haltung, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Wir haben ein Zertifikat, also ist bei uns alles in Ordnung. Diese Botschaft wird auch im Marketing kommuniziert: „Wir sind zertifiziert.“ Und also: sicher, verantwortungsbewusst und professionell.
„Wäre es doch so einfach“, meint Sijtsma. Er möchte absolut nicht falsch werden: Der Qualitätsleiter des niederländischen Futtermittel- und Fleischproduzenten ist der erste, der Unternehmen lobt, die ein GMP+-Zertifikat erhalten haben oder sich im Zertifizierungsprozess befinden. „Aber damit ist es noch nicht geschafft. Feed safety muss in der DNA des Unternehmens und des Personals stecken.“
Johan den Hartog von GMP+ International schließt sich dem an. Er zitiert gerne den amerikanischen Lebensmittelsicherheitsexperten Frank Yiannas: „Die Lebensmittelsicherheit muss keine Priorität sein, sondern ein core value, also ein zentraler Wert.“ Im Hauptsitz von GMP+ International im niederländischen Rijswijk erläutert Den Hartog, was Yiannas damit meint: „Eine Priorität kann hoch oder niedrig sein, je nach den Umständen, aber ein zentraler Wert ist für ein Unternehmen immer maßgeblich.“
Bei der Feed safety culture steht die Umsetzung der Theorie (die Vorschriften) in das tägliche Handeln in der Praxis im Mittelpunkt. Es handelt sich um eine Mentalität. Denn letztendlich bleibt ein Zertifikat, wie wertvoll es auch immer sein möge, das Ergebnis einer Momentaufnahme. Ein Zertifikat ist ein Versprechen, es erzeugt Erwartungen. Feed safety culture geht jedoch einen Schritt weiter, als nur das Abhaken von Vorschriften und Anforderungen. Sijtsma: „Während eines Besuchs bei zertifizierten Kunden und Zulieferern merke ich schnell genug an der Kultur, ob es vernünftig ist, sich auf diese Partei einzulassen.“
Die Welt ändert sich, betont er. „Die Gesetzgebung, die Anforderungen aus dem Markt und der Gesellschaft, die Art und Weise, wie supply chains operieren. Offenheit, Vertrauen und Rückverfolgbarkeit spielen eine immer wichtigere Rolle. Früher reichte es für den Verkauf aus, ein Zertifikat vorlegen zu können. Jene Zeit ist jedoch vorbei.“
In ihrem Gutachten Food Trust – Giving Customers Confidence in Your Food schreibt PricewaterhouseCoopers, dass die Förderung des Vertrauens in Lebensmittel „in einem Klima, in denen das Vertrauen in Lebensmittelhersteller, - verfahren und -verkäufer nach diversen großen Skandalen angeschlagen ist“, wie im Jahr 2013, als sich zeigte, dass Pferdefleisch in Rindfleisch verarbeitet worden war, immer wichtiger wird.
Trotzdem ist die Dringlichkeit eines kulturellen Wandels noch nicht zu allen Unternehmen durchgedrungen, noch nicht einmal zu allen zertifizierten Firmen. Sie erkennen die Vorteile der Ergreifung zusätzlicher Maßnahmen im Qualitäts- und Sicherheitsbereich nicht, da diese ihrer Ansicht nach nur Zeit, Energie und Geld kosten und zu wenig führen würden. „Und das stimmt nicht“, meint Den Hartog. „Wer konsequent an dem Erhalt einer Kultur der Lebensmittelsicherheit baut, gewinnt auf die Dauer das Vertrauen des Marktes.“
„Man erzeugt damit viel Goodwill im Markt“, bestätigt auch Sijtsma. „Führerschaft zieht Kunden an.“
Das Management müsse dabei die Initiative ergreifen, meinen Den Hartog und Sijtsma. Wenn dieses ausstrahlt, dass Sicherheit nicht nur ein Zertifikat an der Wand, sondern auch einen Art und Weise des Handelns in der alltäglichen Praxis ist, folgt das Personal automatisch. Sijtsma: „Man ist schließlich von den Leuten vor Ort am Arbeitsplatz abhängig. Sie wissen, wie alles funktioniert, und wissen auch, wo Verbesserungen vorgenommen werden könnten. Die Arbeitnehmer müssen zum proaktiven Mitdenken stimuliert werden.
Ein kultureller Wandel erfordert eine ernsthafte Investition des Managements. „Arbeitnehmer möchten an sich gerne, müssen aber auch motiviert und unterstützt werden. Man kann in Geräte und Schulung investieren. Sobald die Menschen sehen, dass der Chef absolut daran glaubt, übernehmen sie das auch. Und werden sie auch öfter mit Lösungen kommen.“
Und trauen Sie sich, ehrlich zu sein, fügt Den Hartog hinzu. „Wenn mal etwas schief geht, seien Sie darüber dann auch offen. Teilen Sie es miteinander, innerhalb Ihres Unternehmens oder innerhalb des Sektors. Wir können alle davon lernen und eine Wiederholung verhüten.“
Feed safety culture ist das Bewusstsein, dass jedes Glied in der Kette, bis hin zum individuellen Mitarbeiter, einen Beitrag zum Endergebnis leistet: der internationalen Lebensmittelsicherheit. „Wir appellieren dabei auch an die Moral“, so Den Hartog. „Kultur lässt sich nicht messen. Es geht um die innere Triebfeder.“
Und wenn die da ist, darf man das auch zur Schau tragen. „Unser Zertifikat ist kein Marketing-Tool, sondern ein Instrument zur Risikolenkung. Wenn man das als erstes erkennt und auch danach handelt, kann man das auch prima für das Marketing nutzen. Aber nicht umgekehrt.“
Sijtsma rühmt dabei die Rolle, die GMP+ International bereits seit 25 Jahren in der Futtermittelwirtschaft spielt. „GMP+ International war die allererste Partei, die versuchte, in den Unternehmen einen kulturellen Wandel zu bewirken. Und sie haben damit auch Erfolg. Das System öffnet Unternehmen in der Praxis oft auch wirklich die Augen. Manager erhalten Einsicht in die Prozesse und greifen anschließend weiter durch.“
Mitunter mit besonderen Folgen. Den Hartog erinnert sich an eines der ersten Unternehmen, das ein „GMP+ FSA“-Zertifikat erhielt. „Später erzählte mir ein Leiter, dass die erste Zeit der Einführung des QM-Systems wirklich nicht einfach verlief. Die Vorgesetzten resignierten ein wenig. Aber was passierte dann? Die Mitarbeiter in der Produktion griffen es auf. Man war sich dort des Beitrags bewusst worden, den sie zur Lebensmittelsicherheit leisten. Der Tatsache, dass ihr Handeln bestimmt, was für ein Erzeugnis jeden Tag das Unternehmen verlässt.“
Den Hartog lächelnd: „Dann weiß man, dass die Lebensmittelsicherheit in der DNA des Unternehmens steckt. Feed safety culture par excellence.“
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